Elektromobilität 2024 – Stand, Entwicklung, Ausblick
- Elektromobilität entwickelt sich weltweit derzeit uneinheitlich
- Batterien können dank sinkender Lithiumpreise und neuer Technik billiger werden, trotzdem sinken in Deutschland aktuell die Verkäufe von Elektroautos
- Experten: Wichtig sind jetzt klare Vorgaben und Investition in Forschung, Zölle dürften den Verkauf von E-Autos weiter senken
Die Entwicklung der Elektromobilität zeigt derzeit unterschiedliche Tendenzen. So ist der Lithiumpreis seit dem Höchststand Ende 2022 um mehr als die Hälfte gefallen [I], eine Voraussetzung für sinkende Batteriepreise. Chinesische Entwickler sind besonders aktiv: Sie sorgten für eine Renaissance der Lithium-Eisenphosphat-Batterie – die ist billiger als der bislang übliche Lithium-Ionen-Akku – und konstruierten erste Kleinwagen mit Natrium-Ionen-Akkus. Auch sonst zeigt sich Chinas Autoindustrie innovationsfreudig: Mehr Hersteller setzen auf Wechselakkus, das Serien-Auto mit dem niedrigsten Luftwiderstand könnte nun in China gebaut werden und immer noch steigen neue Anbieter in den E-Automarkt ein – zum Beispiel Xiaomi, in China ein Apple-Konkurrent. Nicht alle der fast 100 E-Auto Anbieter werden überleben, aber einige haben durchaus gute Chancen. Die Verkaufszahlen für Elektroautos in China pendelten 2024 zwar stark [II], stiegen aber insgesamt an. Chinesische Hersteller dominieren die langsam entstehenden E-Automärkte in Südost-Asien, setzen einen Fuß nach Japan und Südkorea und wollen offenbar auch in Europa Wurzeln schlagen.
In der EU aber wirkt die Lage für Elektroautos weniger positiv. Zwar wurden von Januar bis Mai etwa zwei Prozent mehr E-Autos verkauft als im gleichen Zeitraum 2023, doch insgesamt stiegen die Verkäufe der Fahrzeuge stärker an, um 4,6 Prozent. In Deutschland gingen die E-Autoverkäufe um 15,9 Prozent zurück. [III]. Europäische Hersteller werden immer öfter kritisiert: Zum einen, weil sie technisch gegenüber chinesischen Herstellern offenbar ins Hintertreffen geraten, zum anderen, weil ihrer Modelle zu teuer seien, unbezahlbar für viele Leute, deren Geldbeute vielleicht gerade noch bis 15.000 Euro reicht. Gleichzeitig hat die Bundesregierung ihre Förderprogramme für den Kauf von Pkw, Bussen und Lkw gestrichen, die EU hat zum 4. Juli höhere Zölle auf alle in China gefertigte Elektroautos eingeführt – auch die europäischer Unternehmen – und einige Hersteller haben angesichts der Verkaufszahlen in Deutschland angekündigt, wieder mehr Geld in Entwicklung von Verbrennern zu stecken als bislang geplant [IV] [V].Für diese Aussendung haben wir Experten gebeten, die Lage der Elektromobilität im Jahr 2024 einzuschätzen. Für Interessierte zusätzlich schon mal ein Terminhinweis: Auf welchem Feld die deutschen den Vorsprung der chinesischen Batterie- und E-Autohersteller einholen müssten und wo sie selbst (noch) in Führung liegen, werden wir auf einem Press Briefing am 26. August mit drei Experten diskutieren. Die Einladung dazu geht Ihnen im August zu.
- Prof. Dr. Maximilian Fichtner, Leiter der Forschungsgruppe Energiespeichermaterialien am Institut für Nanotechnologie (INT), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), und geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung (HIU)
- Thorsten Koska, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH, Wuppertal
- Dr. Ralf Petri, Geschäftsbereichsleiter Mobility, Verband der Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik e.V. (VDE)
- Prof. Dr. Markus Lienkamp, Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik, Technische Universität München (TUM)
Statements
Die folgenden Statements sind bewusst mit Blick auf langfristige Verwendbarkeit eingeholt und können auch in Zukunft zu diesem Thema Hintergrundinformationen bieten und zitiert werden.
Thorsten Koska
„Die Abschwächung der Ziele für elektrische Pkw durch die Hersteller hat verschiedene Gründe. Zum einen hat sich die Nachfrage nach E-Fahrzeugen in vielen westlichen Märkten nicht so stark entwickelt wie erhofft. Weiterhin hohe Preise für neue E-Fahrzeuge und eine Schwächung der Kaufkraft durch Inflation haben in den letzten Jahren dazu beigetragen. Zudem hat die Politik durch widersprüchliche Signale für Unsicherheit gesorgt – sowohl bei den Kund:innen als auch bei den Herstellern. So haben verschiedene politische Akteure die EU-Flottengrenzwerte mit dem Verbot für fossile Verbrenner in Frage gestellt und deren Abschwächung angekündigt. Zudem hat die Bundesregierung im Zuge ihrer Haushaltskürzungen die Förderung von E-Fahrzeugen eingestellt und damit den Markt weiter geschwächt.“
„Als Folge daraus könnten sich die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in den westlichen Märkten gegenüber dem ursprünglichen Entwicklungspfad weiter verlangsamen. Die Modellpalette zentraler Automarken hat eine Signalwirkung auf die Autokäufer:innen – gibt es weniger Auswahl an Elektromodellen und weiterhin neue Verbrennermodelle, orientieren sich die Kund:innen entsprechend. Darunter leidet der Klimaschutz im Verkehr – schon jetzt der Sektor, der seine Ziele am deutlichsten verfehlt. Damit das Ziel der Bundesregierung von 15 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030 erreicht werden kann, müssten bis dahin rund zwei Drittel aller Neuzulassungen Elektroautos sein. 2023 lag der E-Auto-Anteil an den neuzugelassenen Fahrzeugen erst bei rund 18 Prozent – mit dem Ende der Förderung gingen die Zahlen seitdem zurück.“
„Zudem laufen die westlichen Hersteller Gefahr, gegenüber chinesischen Herstellern zurückzufallen. Diese setzen klar auf Elektromobilität, dominieren ihren Heimatmarkt – und werden künftig noch stärker in Europa und weltweit präsent sein. Schon jetzt werden über die Hälfte aller E-Autos weltweit in China hergestellt.“
Dr. Ralf Petri
„Die westlichen Hersteller orientieren sich an politischen Zielvorgaben, die Leitplanken für ihr unternehmerisches Handeln jetzt und in der Zukunft darstellen. Daher positionieren sie sich in der aktuellen Diskussionen entlang der gegebenen Möglichkeiten. Während sich einige Hersteller wieder mehr hin zu Technologieoffenheit wenden, bleiben andere Hersteller bei ihrem rein elektrischen Modellportfolio und verfolgen dabei konsequent einen Electric-only Ansatz, kommunizieren konkrete Jahreszahlen oder verschieben diese nur leicht in die Zukunft, bis das gesamte Modellportfolio auf Elektrofahrzeuge umgestellt ist.“
„Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass es eine große Auswahl an verschiedenen Fahrzeugmodellen und Antriebsarten für Kunden geben wird, darunter auch immer mehr elektrische Fahrzeuge. Dies wird der Markt regeln, indem Angebot und Nachfrage in Einklang gebracht werden.“
„Dabei ist eines auch klar: Die Entwicklung hin zur Elektromobilität lässt sich nicht mehr aufhalten, dafür sorgen gesetzliche Vorgaben wie beispielsweise CO2-Vorgaben im Klimaschutz für den Verkehrssektor. Parallel wächst mit der Anzahl an Elektrofahrzeugen stetig auch die Anzahl an weltweiten Ladepunkten und erreicht immer neue Höchststände, während unsere Gesellschaft sich auf dem Entwicklungspfad hin zu einer ‚All Electric Society‘ befindet.“
Prof. Dr. Markus Lienkamp
„In der EU und in China gibt es anspruchsvolle Vorgaben für die CO2-Emissionen von Neufahrzeugen. Um diese zu erfüllen, müssen die Hersteller einen bestimmten Flottenmix – ICE, Hybrid, BEV– verkaufen (ICE = Internal Combustion Engine/Verbrenner, BEV = Battery Electric Vehicle/ Elektroauto; Anm. d. Red). Um das zu erreichen, müssten die Hersteller konsequenterweise die Preise verändern. Das hat ihnen der Staat mit Prämien eine Zeit lang abgenommen. Nun müssten die Hersteller da konsequenter handeln.“
„Die europäischen OEM (OEM = Original Equipment Manufacturer, in der Autoindustrie synonym zu Fahrzeughersteller; Anm. d. Red) haben in den nächsten Jahren neue Plattformen geplant, die Reichweiten von real 500 km bieten und durch Massenfertigung die Produktionskosten im Vergleich zu heute deutlich senken werden. 2030 sind die CO2-Vorgaben so streng, dass alle OEM in der EU etwa 50 Prozent ihrer Neufahrzeuge als BEV verkaufen müssen. Wenn die Politik da hart bleibt, wird das auch geschehen.“
Prof. Dr. Maximilian Fichtner
„Es gibt mittlerweile mehrere asiatische Hersteller, darunter auch eine koreanische Firma, die Elektroautos der unteren Mittelklasse für Preise um die 10.000 Euro anbieten. Damit werden Elektroautos erstmals auch im Kauf billiger als Verbrenner. Bei den Gesamtkosten (total cost of ownership, TOC) war das bereits in der Vergangenheit der Fall. Weiter gibt es erste Pkw-Modelle, die mit Natrium-Ionen-Batterien ausgestattet sind und ähnlich niedrige Preise mit ressourcenschonender Zusammensetzung verbinden.“
„Dass es sich hier vor allem um staatlich gestützte Preise handelt, ist ein wohlfeiles Gerücht. Asiatische Hersteller sind schlicht innovativer, pragmatischer und setzen neue Erkenntnisse schneller in bezahlbare Hochtechnologie um.“
„In dieser Situation hat das BMBF dann auch noch die Mittel für Projekte gekürzt, die an der Schnittstelle zwischen Forschung und Industrie liegen. Und trifft dabei einen Nerv der deutschen Hochtechnologie. Anwendungsnahe Entwicklungsprojekte liegen auf Eis, die bisherigen Investitionen in ein Aufholen der Deutschen im internationalen Wettrennen werden dadurch in den Sand gesetzt und die Ausbildung von jungen Fachleuten, die von der Industrie dringend benötigt werden, fällt aus. Die Studentinnen und Studenten wählen dann entweder ein anderes Feld oder verlassen das Land. Fatal für diejenigen, die im Lande etwas bewegen möchten.“
Dr. Ralf Petri
„In der aktuellen VDE Studie ‚Automobilstandort Deutschland 2035‘ [1] sind sich über 30 hochrangige Meinungsführer und Meinungsführerinnen aus Politik und Wirtschaft einig, dass Digitalisierung ein Schlüsselfaktor für die deutsche Automobilindustrie ist und sämtliche Bereiche der Automobilproduktion und -entwicklung durchdringen wird. Mit dem Übergang zur E-Mobilität werden digitale Innovationen zu entscheidenden Faktoren für die Wettbewerbsfähigkeit.“
„Neue Geschäftsmodelle weisen dabei den Weg in die automobile Zukunft. In China beispielsweise bewegen sich bereits erste fahrerlose Robotaxis auf öffentlichen Straßen. Ab 2026 rechnen Experten mit einer chinaweiten kommerziellen Einführung. Von diesem Produkt stammt nichts aus Deutschland, nicht einmal die Komponenten. Die Fahrzeuge und Algorithmen wurden in China produziert und entwickelt, die KI-Chips stammen größtenteils aus den USA. Automatisiertes/Autonomes Fahren oder andere neue Mobilitätsformen und Geschäftsmodelle sind in Deutschland nicht beziehungsweise kaum entwickelt, auch wegen zu enger regulatorischer Vorgaben.“
„Automatisiertes/Autonomes Fahren – und damit die Künstliche Intelligenz (KI) im Auto – wird sich hierzulande bis 2035 durchsetzen, gerade im Ridesharing. Deutsche Fahrzeughersteller werden daher ihr Geschäftsmodell, ihre Produktion und ihr Angebotsportfolio mit massiven Investitionen anpassen müssen. Das gelingt nur mit massiven Produktivitätssteigerungen, um Kosten einzusparen. Dafür braucht es mehr Automatisierung und ein komplettes Neudenken der Produktionsprozesse. Hier sind die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen gefragt. Insgesamt wird die Bedeutung von KI für das automatisierte/autonome Fahren in Deutschland unterschätzt.“
„Zusätzlich zum elektrischen Antriebsstrang gibt es für die Fahrzeuge der Zukunft den überlagernden Trend des ‚Software-Defined Vehicles‘. Dieses bietet gegenüber traditionellen Fahrzeugen die Möglichkeit, digitale Schlüsselkomponenten wie Mikrochips im Vergleich zu mechanischen Bauteilen schneller zu substituieren und mittels hoher Testtiefe die Sicherheit in der Anwendung zu gewährleisten.“
Prof. Dr. Markus Lienkamp
„Europa muss kostengünstig Batterien produzieren, die eine hohe Leistungsfähigkeit, also eine hohe Energiedichte und Lebensdauer haben. Die Entwicklung ist allerdings schon so weit, dass sich die Batterien zum Beispiel bei gravimetrischer und volumetrischer Energiedichte jedes Jahr nur noch um wenige Prozent verbessen. Es werden keine großen technologische Sprünge erreicht. Der Hauptfokus liegt deshalb auf der Massenproduktion, der Sicherstellung der Lieferketten und auf den Kosten. Die Verkaufsvolumina für BEV müssen wie geplant kommen, damit die Rechnung aufgeht.“
Thorsten Koska
„Die Streichung der Förderung hat den Markt für E-Lkw geschwächt. Der Anteil von E-Lkw an den gesamten Lkw-Neuzulassungen lag laut Kraftfahrtbundesamt zwischen Januar und Mai 2024 bei 5,1 Prozent – 2023 waren es noch 7,5 Prozent. Bei den neuzugelassenen Bussen ist der Anteil im gleichen Zeitraum von 15,3 auf 11 Prozent zurückgegangen. Damit verzögert sich der Markthochlauf von E-Lkw und E-Bussen. Das bremst den Klimaschutz im Verkehr und auch die Entwicklung der europäischen E-Lkw- und E-Bus-Produktion. Bereits in wenigen Jahren werden die Fahrzeuge auch ohne Förderung attraktiver als Diesel-Lkw sein. Soll jedoch die CO2-Minderung im Verkehr beschleunigt werden, muss die Flottenwende weiter forciert werden. Dies ist bei Lkw nicht nur durch eine Förderung möglich, sondern beispielsweise auch über eine weitere Erhöhung der Maut für Diesel-Lkw. Im ÖPNV sorgen die verbindlichen Quoten der Clean Vehicle Directive [4] mittelfristig dafür, dass die Marktanteile von E-Bussen auch künftig steigen. Kurzfristig stellen viele ÖPNV-Betreiber den Aufbau ihrer E-Flotte zurück, da sie ohne Förderung keine finanziellen Spielräume dafür haben.“
Dr. Ralf Petri
„Staatliche Förderungsmaßnahmen können unterstützend wirken und haben darüber hinaus vor allem auch eine psychologische Komponente auf den Markt: Sie bieten und ermöglichen den Unternehmen sowie den Kaufinteressierten eine langfristige Planungssicherheit und signalisieren, dass auch die Bundesregierung an einer Technologie – wie zum Beispiel E-Lkws – festhält, glaubt und davon auch überzeugt ist. Fallen Subventionen weg, kann es zu einem psychologischen Vertrauensverlust und einer Verunsicherung im Markt kommen, wie es auch aktuell der Fall ist: Viele Käufer überdenken ihre Kaufentscheidung erst einmal stellen sie möglicherweise zurück.“
„Generell kann von einer Zurückhaltung in der Branche gesprochen werden. Auf der einen Seite gibt es weiterhin große technologische Fortschritte im Ladeinfrastruktur- oder Batterietechnologiebereich. In enger Zusammenarbeit arbeiten hier branchenübergreifend die Unternehmen an neuen Modellen, Technologien und Ladepunkten (Hubs, Depots, Ladeparks). Damit sollen internationale Vorgaben und Zielsetzungen eingehalten werden, unter anderem die AFIR [2], Flottengrenzwerte [3] oder Clean Vehicle Directive [4]. Deutsche Hersteller haben bereits erste Pilotprojekte vorgestellt und gezeigt, wie beispielsweise das Megawatt-Charging für Lkw umgesetzt werden kann.“
„Zugleich ist die deutsche Transport- und Logistikbranche einem starken internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Die Faktoren Zeit und Kosten sind ausschlaggebend, eine möglichst schnelle und kostengünstige Transport- und Speditionsleistung das Ziel. Es gilt, die ‚Total Cost of Ownership‘, die Gesamtkosten des Betriebs, über die Zeit zu optimieren. Aktuell sind die Kaufpreise für E-Lkw noch deutlich teurer als bei herkömmlichen Lkw mit Verbrennungsmotoren. Auch das hohe Zinsniveau erschwert den hohen Anfangs-Invest, was es für viele mittelständische Unternehmen schlichtweg zu teuer macht. Beziehungsweise dauert es schlichtweg zu lange, bis sich der Kauf eines E-Lkw auch wirtschaftlich trägt.“
Prof. Dr. Markus Lienkamp
„Der Absatz von BEV ist in Deutschland eingebrochen, obwohl die Hersteller die Preise gesenkt haben, sodass BEV nicht viel teurer sind als vorher. Ich vermute hier eher zwei psychologische Effekte: Der eine ist der Wunsch nach Schnäppchen, der andere könnte die Unzufriedenheit mit der aktuellen Regierung und eine daraus resultierende Opposition sein. Aber das müsste man untersuchen.“
Thorsten Koska
„Die Zölle auf chinesische E-Pkw werden zunächst zu einem Preisanstieg für die chinesischen E-Fahrzeuge führen. Dies wird die Importe chinesischer Fahrzeuge deutlich abschwächen. Mit den dann weniger günstigeren chinesischen Fahrzeugen wird die Lücke im preisgünstigen Marktsegment für E-Fahrzeuge wieder größer. Damit könnte auch der Absatz von E-Fahrzeugen in Deutschland und Europa insgesamt unter Druck geraten. Die Zölle auf Bauteile für E-Fahrzeuge, also etwa Batterien, Batteriekomponenten und Magnete für die E-Motoren, verteuern auch europäische Elektroautos. Sie sorgen aber zugleich dafür, die europäische Produktion dieser Komponenten zu stärken.“
„Zu steigenden Verkaufszahlen könnten die anderen, nicht-chinesischen Hersteller beitragen, indem sie die Marktlücke durch günstigere Modelle schnell schließen. Auch die Wiedereinführung einer Kaufprämie insbesondere für kostengünstige E-Pkw könnte die Verkäufe ankurbeln. Sie ließe sich aufkommensneutral gestalten, wenn sie als Bonus-Malus-Programm ausgestaltet wird: mit Neuzulassungssteuern für Verbrennerfahrzeuge, die eine Prämie für günstige und energieeffiziente E-Fahrzeuge finanzieren.“
Dr. Ralf Petri
„Zölle oder wirtschaftspolitische Maßnahmen, die einen Einfluss auf den (Welt-)Handel haben, sollten immer nur als letztes politisches Mittel eingesetzt werden. Vielmehr sollte der Wettbewerb auf Produktebene, sprich einzelnen Komponenten oder Fahrzeugen, stattfinden. Hierfür elementar ist ein sogenanntes Level-Playing-Field, in dem alle Teilnehmer eines Marktes auch gleiche oder zumindest ähnliche Rahmenbedingungen vorfinden können, die einen fairen Wettbewerb überhaupt erst ermöglichen.“
„Das aktuelle Beispiel zeigt, dass der chinesische Staat beziehungsweise die staatlichen Unternehmen durch Subventionen einen Wettbewerbsvorteil erschaffen haben, wodurch europäische Unternehmen und Automobilhersteller leiden. Überkapazitäten chinesischer Automobilhersteller zu günstigen Preisen, deutlich unter denen von europäischen Herstellern, könnten die Folgen sein. Handelt es sich um unfaire Praktiken gilt es einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen, da auch die deutsche Automobilindustrie und der Wohlstand unseres Landes stark vom Export abhängt.“
„Allerdings muss darauf geachtet werden, dass es hierbei nicht zu einem gegenteiligen Effekt kommt und beispielsweise auch die deutsche Automobilindustrie unter einem Wettlauf der Zölle oder gar immer drastischeren Einfuhrbeschränkungen für den chinesischen Markt leidet – denn Zölle oder Handelsbeschränkungen wirken immer auch wechselseitig, wenn beispielsweise deutsche Automobilhersteller ihre Wertschöpfung vollends nach China ausgelagert haben und der Umsatz durch Zölle geschmälert wird. Dies könnte auch langfristige Folgen für die Elektromobilität in Deutschland haben, wenn dadurch keine kostengünstigen Modelle aus China in Deutschland angeboten werden, was die Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen verlangsamen könnte.“
„Bei all den Fragestellungen dürfen die Kunden nicht vergessen werden, die am meisten darunter leiden dürften, wenn Elektrofahrzeuge entweder teurer angeboten oder erst gar nicht auf den jeweiligen Märkten angeboten werden.“
Prof. Dr. Markus Lienkamp
„Zölle erhöhen die Preise der chinesischen Importfahrzeuge, lösen aber das Problem nicht, dass europäische BEV zu teuer sind. Um die Kosten zu senken, benötigen wir einerseits Innovationen, also Forschung an Universitäten, andererseits ist eine große Stückzahl nötig. Es braucht also politische Vorgaben, die nicht aufgeweicht werden dürfen. Die europäische Politik darf jetzt nicht nachgeben.“
Angaben zu möglichen Interessenkonflikten
Alle: Keine Angaben erhalten.
Literaturstellen, die von den Expertinnen und Experten zitiert wurden
[1] VDE (2024): Automobilstandort Deutschland 2035. Ein Meinungsführer*innen-Report aus Politik und Wirtschaft.
[2] Europäische Kommission (2024): Alternative Fuels Infrastructure Regulation. Informationsseite der Kommission mit weiterführenden Links.
[3] Europäischer Rat (2024): „Fit für 55“: Rat nimmt Verordnung über CO2-Emissionen für neue Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge an. Informationsseite des Rates über die neuen CO2-Grenzwerte für Fahrzeuge mit weiterführenden Link unter anderem zu den Verordnungstexten.
[4] BMDV (2024): Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge. Umsetzung der Clean Vehicle Directive.
Literaturstellen, die vom SMC zitiert wurden
[I] Deutsche Rohstoffagentur DERA (2024): Preismonitor Mai 2024. Abgerufen am 02.07.2024.
[II] Kang L (05.06.2024): China NEV retail at 790,000 in May, up 17% from Apr, preliminary CPCA data show. CNEVPost. Abgerufen am 02.07.2024.
[III] ACEA (20.06.2024): New car registrations, European Union: -3% in May 2024. Pressemitteilung. Abgerufen am 02.07.2024.
[IV] Reimann A (29.06.2024): „Wir investieren wieder mehr Geld in Verbrenner“ Wirtschaftswoche. Abgerufen am 02.07.2024.
[V] Schönfeld M (22.06.2024): VW investiert 60 Milliarden in neue Verbrenner. Auto Motor Sport. Abgerufen am 02.07.2024.